Fortsetzung des Fokus-Artikels
Über 15 Jahre später. Jutta Dieckmann sitzt an ihrem Schreibtisch in der geräumigen Aufbereitungshalle der AfB an der Otto-Stadler-Straße in Paderborn. Mit einem Heißluftfön löst sie Etiketten und Aufkleber von Netzteilen und Adaptern. „Ich sortiere die Netzteile nach Hersteller und Amperezahl“, erklärt sie.
Jutta Dieckmann ist Bestandteil eines bis ins Detail organisierten und perfekt getakteten Systems von Abholung, Datenvernichtung, Aufbereitung, Wiedervermarktung und Entsorgung von IT- und Mobilgeräten. Die AfB gilt als Europas erstes und größtes gemeinnütziges IT-Unternehmen – und befindet sich weiter auf strammem Wachstumskurs.
Der Betrieb ist darauf spezialisiert, ausgemusterte IT-Geräte von Unternehmen, Versicherungen, Banken und öffentlichen Einrichtungen zu übernehmen und dabei so viele Geräte wie möglich wieder zu vermarkten. U.a. über den eigenen AfB-Shop.
Der vom LWL geförderte Inklusionsbetrieb bearbeitet jährlich mehr als 360.000 Geräte, die er von mehr als 700 Unternehmen zur Verfügung gestellt bekommt. Menschen mit Handicap wie Jutta Dieckmann stellen fast die Hälfte der gut 380 Beschäftigten. Am Standort Paderborn sind es 16 von 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
„Wir haben 2018 mit zwölf Leuten hier angefangen“, erzählt der Niederlassungsleiter Dietmar Mormann. Um dann personell rasch aufzustocken. „Paderborn mit seinen IT-Unternehmen hat einfach das Potenzial.“
Der Markt für diesen Wiederverwendungskreislauf ist größer als man meint. „Wir arbeiten mit Konzernen wie Thyssen-Krupp, RWE oder Siemens zusammen, aber auch mit regionalen Firmen, Behörden und Institutionen“, sagt die AfB-Prokuristin Monika Braun.
Neben der Datenvernichtung werden die Geräte erfasst, getestet, gereinigt, mit neuer Software bespielt und anschließend verkauft – mit bis zu drei Jahren Gewährleistung. Nicht mehr vermarktbare Hardware wird unter höchsten ökologischen Standards zerlegt und recycelt. Der ursprüngliche Eigentümer der Geräte erhält alle relevanten Nachweise zur Datenvernichtung.
Eine Zusammenarbeit mit der AfB ist nicht nur gut für das soziale und ökologische Gewissen, sie kann ein echter Wettbewerbsvorteil sein. „Das durch eine Partnerschaft mit der AfB gezeigte gesellschaftliche Engagement kann am Point-of-Sale unserer Partner kommuniziert und somit als Vertriebsvorteil genutzt werden“, heißt es auf einem Imageflyer des Unternehmens. Der Zusatz „social & green IT“ im Firmentitel weist darauf hin. Sozial ist die inklusive Ausrichtung der AfB, grün sind etwa Einsparungen von CO2, Rohstoffen und Energie durch die Wiederverwertung der IT-Geräte.
Die AfB-Beschäftigten mit Behinderungen in Paderborn haben seelische, körperliche und Sinnesbeeinträchtigungen. „Aber das spielt im Arbeitsalltag keine Rolle“, sagt Monika Braun.
Martin Gasse etwa organisiert die Verteilung der Hardware am Wareneingang. Dort werden die firmeneigenen Transporter entladen. „Ich sortiere und erfasse die hereinkommenden Geräte“, sagt er.
Bernd Schmelter kümmert sich um die Detailerfassung im hauseigenen Warenwirtschaftssystem. Und er schaut, ob die Datenlöschung tatsächlich vollständig erfolgt ist: „Ich bin so etwas wie die letzte Instanz.“ Thomas Müller wiederum löscht Server. Gut und gerne 20 pro Tag. Dann sortiert er sie und macht die Enderfassung für den Verkauf. Für ihn ein Traumjob: „Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, woanders zu arbeiten.“
Das AfB-Konzept baut auf flache Hierarchien, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter duzen sich; vom Firmengründer bis zum Praktikanten. Der Zusammenhalt ist groß.
Mehrmals im Jahr schaut auch AfB-Gründer Paul Cvilak in Paderborn vorbei. Er kennt fast alle Beschäftigten persönlich und nimmt sich Zeit für Gespräche. Seine Vision von 2004 ist längst Wirklichkeit geworden. In Paderborn und anderswo an einem der mittlerweile 18 Standorte in fünf europäischen Ländern.